Gerhard Mehrke
Neu-Ulm

 

Das Herzgehirn

In der esoterisch angehauchten „Gesundheitsliteratur“ wird in letzter Zeit oft über das sogenannte Herzgehirn berichtet, wie z. B. hier: heart brain

<< Wissenschaftliche Studien aus der Neurokardiologie zeigen, dass das Herz ein eigenes Gehirn mit eigenem Nervensystem hat (Herzgehirn mit ca. 40.000 neuronalen Verschaltungen - ebenso viele sind in den subkortikalen Bereichen des Gehirns zu finden). Es ist  damit fähig, zu empfinden, sich zu erinnern, zu lernen und unabhängig vom Kopfhirn Entscheidungen zu treffen. Dabei führen mehr! Nerven vom Herzen zum Hirn als umgekehrt, wobei das Herz auf fünf verschiedenen Wegen seine Informationen an Gehirn und den restlichen Körper weiterleitet, und zwar:

Kommentar: Anatomisch finden wir ausschließlich Endigungen von vegetativen Nerven (Sympatikus/Parasympatikus), die die Herzfunktionen wie Schlagkraft und Schlagfrequenz regeln. Diese werden von Zentren im Hirnstamm gesteuert. Beim Parasympathikus (Vagus) werden die Nervenfasern nochmals in ganglionären Synapsen "umgeschaltet". Das Herz besitzt zwar ein eigenes Erregungs- und Reizweiterleitungssystem, dieses besteht aber nicht aus Nervenzellen, sondern aus spezialisierten Muskelzellen, die auch nicht über Neurotransmitter miteinander kommunizieren.

<< 1. mechanisch-biophysisch: mittels Blutdruck und Pulswellenlaufzeit im Blutstrom

Kommentar: Selbstverständlich werden Blutdruckwerte insbesondere über Rezeptoren in der Aorta und Carotis registriert.

<< 2. biochemisch: über Hormone und neurochemische Botenstoffe, die im Herzen produziert und (mit 10-100m/s) gesendet werden.

Kommentar: Das wichtigste Hormon das im Herzen produziert wird ist das „Atriale Natriuretische Peptid“, das, wie der Name sagt, auf die Regulation des Salzhaushaltes und damit auch des Blutdrucks (Niere) einwirkt.

<< 3. elektromagnetisch: bei der Kontraktion des Herzens entstehen elektrische Signale, die über sein elektromagnetisches Feld  (mit 300.000 km/s) weitergeleitet werden und zudem 6000 mal stärker sind als die des Hirns.

Kommentar: Das stimmt. Die elektrischen Signale, die sich aus der Erregungswelle der Herzmuskulatur ableiten, sind die Grundlage der EKG-Diagnostik, haben aber sonst physiologisch keine Bedeutung.

<< 4. neurologisch: durch das Nervensystem

Kommentar: Was soll das heißen?

<< 5. mit dem Bindegewebssystem - seiner Piezoelektrizität (Spannungsänderung elektrischer Polarisation bei Verformung) als Halbleiter für Energie und Informationen, die gespeichert, gefiltert, verstärkt bzw. verarbeitet werden

Kommentar: Völliger Blödsinn. Hier werden physikalische und biologische Begriffe miteinander verknüpft, die nichts miteinender zu tun haben.

Das Herz reagiert über die vegetative Steuerung auch auf unsere „Gemütslage“, es ist somit ein Indikator, aber es hat keinerlei selbständiges Denk- und Erinnerungsvermögen. Das ist völliger Unfug. Etwas anders sieht es im Verdauungssystem aus, wo das „Enterische Nervengeflecht“ das „Darmhirn“ wichtige autonome Steuerungsvorgänge übernimmt. So etwas wie ein Herzgehirn das denkt und Entscheidungen trifft gibt es nicht. Behauptungen wie diese gehören in die Kategorie „Hirnpups“.

- Ein jeder (Skelett-)Muskel ist zur Steuerung innerviert (jede einzelne Muskelfaser) und besitzt auch „Sinnesorgane“ (z.B. Muskelspindeln), die Informationen dem Gehirn übermitteln. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, das die Muskulatur „denkt“.

Zum Thema Herz: Warum Sportlerherzen langsamer schlagen

Addendum: So ganz sicher bin ich mir nicht mehr, ob bei manchen Leuten das Denkvermögen nicht doch vornehmlich im Gluteus maximus lokalisiert ist.


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(Häufig gestellte Fragen)

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